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Streit um ein neues Handynetz

Drei Handynetze gibt es bisher in Deutschland, ein viertes soll hinzukommen. Das könnte den Wettbewerb ankurbeln und gut sein für Verbraucher. Bis es so weit ist, dauert es aber noch - und zwar länger als gedacht.

Beim Bau des vierten deutschen Handynetzes droht eine juristische Schlammschlacht. Der designierte Netzbetreiber 1&1 warf dem Konkurrenten Vodafone eine Behinderung des Ausbaus vor und kündigte eine Beschwerde beim Bundeskartellamt an. Vodafone wiederum wies die Vorwürfe am Freitag "entschieden zurück" und teilte mit, dass man "die Anschuldigungen von 1&1 mit Verwunderung zur Kenntnis genommen" habe.

Anlass des Streits sind erhebliche Verzögerungen beim Ausbau des neuen Netzes und drohende Bußgelder. Der mobile Empfang von 1&1 sollte ursprünglich Ende 2022 starten, nun peilen sie Sommer 2023 an - und auch das könnte sich noch nach hinten verschieben. In einer Mitteilung von 1&1 vom Donnerstagabend hieß es, es könnte "geringfügige Verzögerungen" geben.

Eine zentrale Rolle in dem Streit hat die Düsseldorfer Firma Vantage Towers. Die baut Funktürme, die von verschiedenen Netzbetreibern genutzt werden. Von 1&1 bekam Vantage Ende 2021 den Auftrag für einen Großteil der Standorte, die der Neueinsteiger aus Montabaur für sein Netz braucht. Der Großauftrag über die Mitnutzung von 3.800 Dach- und Maststandorte bis Ende 2025 und die Option auf eine Erweiterung um 5.000 Extra-Standorten sorgte damals für Stirnrunzeln in der Telekommunikationsbranche. Denn Vantage ist eine Tochter von Vodafone, also von einem Wettbewerber von 1&1. Hilft Vantage mit so einem Vertrag nicht einem Neueinsteiger auf die Beine, welcher der Konzernmutter Vodafone künftig das Leben schwer machen konnte?

Stand heute sieht es danach nicht aus. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn Vantage baute im vergangenen Jahr viel weniger Masten für 1&1 als vertraglich vereinbart. Eine staatliche Ausbaupflicht sah vor, dass 1&1 Ende 2022 mindestens 1.000 5G-Standorte betreiben muss. Zwei Drittel davon sollte Vantage stemmen. Allerdings kam es "überraschenderweise" zu Lieferproblemen beim wichtigsten Ausbaupartner, wie 1&1 schon im vergangenen Herbst mitteilte. Nur spärliche fünf Standorte konnte 1&1 bis zum Jahresende aktivieren, ein Teil davon stammt von Vantage.

Mit den wenigen Standorten betreibt 1&1 sogar ein Netz, dies aber nur in einer sehr abgespeckten Version für ein Festnetz-Ersatzprodukt für die eigenen vier Wände von Kunden. Handynutzer, die unterwegs sind und an den Antennen vorbeikommen, haben keine Verbindung. Der Startschuss für mobilen Empfang - und damit für das eigentliche Handynetz - kommt erst noch.

Die Bundesnetzagentur prüft derzeit die Unterlagen zur Erfüllung der Ausbaupflichten, welche die Netzbetreiber Anfang Januar eingereicht haben. Im Falle von 1&1 könnten bis zum 50.000 Euro Bußgeld pro Standort fällig werden - es ist also möglich, dass 1&1 fast 50 Millionen Euro zahlen muss.

Auch vor dem Hintergrund dieses drohenden Bußgeldes und der damit verbundenen negativen Schlagzeilen will 1&1 mit der Beschwerde beim Kartellamt nun deutlich machen, dass die Verzögerung im Wesentlichen am Ausbaupartner Vantage liege, und dessen Mutterkonzern Vodafone dabei eine Rolle spielen könnte.

Das Unternehmen aus Montabaur weist darauf hin, dass der Wettbewerber Vodafone Ende 2022 schon mehr als 1.600 5G-Standorte auf Basis der Infrastruktur von Vantage Towers zur Verfügung hatte. Der Ausbau für 1&1 kam hingegen nicht in die Gänge. Allerdings hinkt der Vergleich, da Vodafone deutlich früher angefangen hatte mit den konkreten Planungen für 5G-Masten und mit dem Bau. Dies wiederum war für einen alten Platzhirschen wie Vodafone auch einfacher als für den Neueinsteiger.

Der Telekommunikationsprofessor Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen wertet es kritisch, dass der Standortausbau von Vantage für Vodafone so viel zügiger vorianging als für den Vodafone-Konkurrenten 1&1. "Ganz von der Hand zu weisen ist der Verdacht der Behinderung nicht", sagt der Branchenexperte.

Der Vorstoß von 1&1 beim Kartellamt geschehe nun vor dem Hintergrund der drohenden Bußgelder durch die Bundesnetzagentur. "Die Firma muss viele Argumente ziehen, um dem Regulierer zu zeigen, warum der Netzausbau nicht so weit gekommen ist wie versprochen."

Aber warum hat sich 1&1 überhaupt auf eine Vodafone-Tochterfirma eingelassen? Die Funkturm-Infrastrukturbranche sei ein sehr kleiner Markt, 1&1 hätte auf Vantage Towers praktisch nicht verzichten können, sagt Gerpott. "1&1 hatte keine freie Auswahl." Der Vertrag zwischen dem Konzern aus Montabaur und dem Infrastrukturanbieter aus Düsseldorf habe zwar eine Nichtdiskriminierungsklausel gehabt, also ein Verbot einer Benachteiligung. "Aber solche Klauseln sind leichter aufgeschrieben als in der Praxis umgesetzt."

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